Wieviel Wachstum ist genug? oder Ist weniger mehr?

In Anlehnung an das Buch „Wieviel ist genug? von Robert & Edward Skidelsky, in dem der Vater Robert (Professor für Wirtschaftswissenschaften) mit seinem Sohn Edward (Philosophieprofessor) sich Gedanken darüber machen, wieviel Reichtum der Mensch eigentlich braucht um ein gutes und erfülltes Leben zu führen, möchte ich einmal darüber nachdenken, wieviel Wachstum eigentlich eine Gesellschaft braucht, damit sich die Bewohner einer Stadt oder Landes glücklich fühlen.

Dabei ist mir aufgefallen, dass der Begriff Wachstum, also Wirtschaftswachstum, als Veränderung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) als eine gesamtwirtschaftliche Größe, eigentlich nichts darüber aussagt, wieviel Arbeit in einer Gesellschaft erbracht wird. Es werden ja nur die Arbeiten beziffert, die auch wirklich einen Lohn erwirtschaften und die anderen Tätigkeiten eines Menschen bleiben unberücksichtigt. So erhält z.B. eine Bäuerin für das aufziehen von Schweinen einen Lohn (spätestens wenn die Schweine verkauft werden), aber die Mutter oder der Vater für die Erziehung ihrer Kinder nicht. Auch Zeiten der Weiterbildung werden nicht im BIP berücksichtigt, auch wenn gerade diese Zeiten ja geistiges „Wachstum“ bedeutet und viele Menschen glücklich macht. Jeder weiß, dass die Anzahl der Kriege und Konflikte mit wachsendem Bewusstsein und geistiger Reife weniger werden.

Jetzt kann man ja so langsam Angst bekommen, wenn man tagein, tagaus in den Medien liest, dass die Deutschen wegen der demographischen Entwicklung immer weniger werden und deshalb die Wirtschaftsleistung des Landes immer weniger wird. Wir sprechen mittlerweile von einem Mini- Wachstum oder auch von der Postwachstumsökonomie.

Welche Auswirkungen hat das aber für die Menschen im Land. Wenn es immer weniger Erwerbstätige gibt, dann steigen die Nebenkosten für die Sozialsysteme. Noch entfallen in Deutschland rechnerisch auf eine Person im arbeitsfähigen Alter 0,65 Kinder, Jugendliche und Rentner. Bis 2060 wird die Zahl der Nicht- Arbeiter die Zahl der Arbeitsfähigen übersteigen.

Wir müssen also etwas tun. Wir müssen uns verändern oder müssen wir vielleicht nur das System oder sogar nur das Mess-System ändern?

Ein Gedanke, der mir in den Sinn kommt, ist natürlich die Ungerechtigkeit zu verändern, die daraus besteht, dass es schlecht bezahlte bzw. überhaupt nicht bezahlte Arbeit gibt. Viele Frauen leisten enorme Arbeit, die nicht ins BIP einfließt. Das Königreich Bhutan hat einen neuen Maßstab für die Lebensqualität seiner Bewohner gefunden. Es wird nicht mehr das BIP, sondern das Bruttonationalglück gemessen. Es schön sich vorzustellen,  was ein Wachstum des Bruttonationalglücks hervorbringt. Was jedoch ein Wachstum im BIP hervorbringt, ist nicht immer so einfach zu entdecken. Denn Wirtschaftswachstum kommt nicht mehr bei allen gleichermaßen an. Mittlerweile ist es sogar so, dass die Löhne in einigen Branchen sehr viel mehr steigen, als in anderen Branchen und somit der Neid und die Ungleichheit im sozialen System zunimmt.

Weshalb im Investmentbanking oder in der Automobilbranche soviel mehr verdient wird, als im Gesundheitswesen, Bildungswesen oder dem Erziehungswesen kann mir bis heute keiner erklären. Ist es denn wertvoller einen Motor zusammenzubauen als ein Kind auf die Welt zu bringen? Mittlerweile zieht auch nicht mehr die Begründung, dass ein falsch zusammengebauter Motor einen größeren Schaden anrichten kann. Sonst müssten ja die Hebammen nicht so viel für ihre Haftpflichtversicherung zahlen.

Hoffnung macht mir die Jugend mit ihren völlig neuen Lebensmaßstäben:

Teilen ist besser, als etwas zu haben.

Kooperieren macht mehr Spaß als konkurrieren.

„Es geht um Ideen, nicht um Dinge, um Bits, nicht um Atome, um Interaktion, nicht um Transaktion. Das BIP werde den Wohlstand immer weniger erfassen, das wirkliche Wachstum aber werde größer sein als das gemessene.“ (The Second Machine Age)

Mittlerweile spricht man schon von der Sharing Economy. So werden Autos, Fahrräder, Werkzeuge und Wohnungen geteilt und wenn eine gemeinsame Idee einmal finanziert werden muss, dann kann man ja nach Crowdfunding und Crowdinvesting schauen.

Es wird sich also vieles verändern in der Zukunft und eventuell wird das Wachstum auch einmal unter die magische Null gehen, dann schrumpft der Wohlstand, aber ob dies dann dazu führt, dass wir als Gesellschaft unglücklicher sind, dass liegt in unserer Hand. Manchmal ist nämlich weniger mehr.

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