Schneller Wandel durch die Diagnose Sarkom

Vor einem Jahr wusste ich noch nicht, dass sich mein Leben völlig umkrempeln würde. Ich hatte eine Teilzeitbeschäftigung bei der Post in Dortmund und meine Tochter begann ihr Studium in Göttingen. Im September hatten wir noch den Umzug gemeinsam gemanagt und jeden Tag skypten wir und lösten die kleinen Probleme des Alltags.

Beruflich lief es gerade gar nicht gut, aber ich hatte schon alles versucht, um an der Situation etwas zu ändern. Es schien aussichtslos. Die Aufmerksamkeit war auf vieles gerichtet, so dass ich nicht merkte, dass sich in meinem Oberschenkel etwas veränderte. Ich merkte es zwar, habe dieser neuen Speckschicht aber keine Aufmerksamkeit gewidmet.  Wird schon wieder weggehen, hatte ich mir gedacht. Erst als ich beim Sport  den unteren Oberschenkel beim Aufsteigen aufs Fahrrad derart verletzt habe, dass ich vor Schmerzen fast vom Fahrrad gefallen bin, konnte ich die körperliche Veränderung nicht mehr ignorieren. Die Schmerzen wurden nicht mehr weniger und deshalb ging ich zum Hausarzt, der mich sofort zum Orthopäden geschickt hat. Nach einer Sonografie stellte man ein Hämatom fest. Dieses Hämatom wurde dann beobachtet. Nach 4 Wochen hatte sich das Hämatom vergrößert und der Orthopäde hatte keine Begründung dafür. Ein MRT Termin bestätigte nochmals die Diagnose – Hämatom – und so wurde ein Operationstermin angesetzt, da das Hämatom immer größer wurde und so langsam die Beweglichkeit einschränkte. Bei jedem Schritt berührten sich die Oberschenkel und die Hosen bekamen schon Löcher, vom vielen aneinander reiben.

Meine erste Operation war also am 12.12.17 und ich wollte bis Weihnachten wieder fit sein, da ich meine Tochter und meine Mutter und Schwiegereltern zu Weihnachten eingeladen hatte. 

Der Arzt stellte schon bei der OP einen Tumor fest, sagte mir aber erst nichts zu seinem Verdacht. Ich ging davon aus, dass das Hämatom entfernt  wurde und da man nicht alles entfernen konnte, eine Gewebeprobe vorsichtshalber zur histologischen Untersuchung eingesandt hat. Am 14.12. dann die Nachricht vom operierenden Arzt. Die Gewebeprobe ist ein hochmaligner pleomorpher Weichteilsarkom. Es handelt sich um einen Sarkom des Bindegewebes – eine sehr seltene Krebsart.

Mein erster Gedanke bei der Übermittlung der Nachricht:

„So schnell stirbt man nicht!“

Bei der Übermittlung der Diagnose war ich äußerlich sehr gefasst. Ich wusste, dass dies heutzutage kein Todesurteil mehr ist, und dass die Forschung hier schon weit fortgeschritten ist. Mein Vater litt 14 Jahre unter seinen Tumoren (Schilddrüsenkrebs und Lungenkrebs) und ist letztendlich daran gestorben. Diese 14 Jahre waren aber noch eine lange Zeit „Leben“ gewesen. Ich versuchte also meinen Verstand zu behalten und ruhig zu bleiben. Die Ärzte organisierten alle Termine im Hintergrund und zum Glück kamen mich gleich nach der Diagnose liebe Freundinnen besuchen und munterten mich auf: „Du schaffst das.“ Auch das zweite MRT am Nachmittag und das CT am Folgetag zeigten zwar den Tumor jetzt deutlich,  aber auch, dass es keine Metastasen gibt. 

Die ersten Versuche über Google herauszufinden, wie schlimm es um mich steht, waren eine Katastrophe.  Ich bekam Angst. Auch meinem Mann erzählte ich sofort von der Diagnose und auch er fing an zu googeln. Diese Zeit war äußerst belastend – auch wenn wir uns gegenseitig halt gegeben haben.

Mein Professor, der mich operiert hat, vermittelte mich an einen Sarkomspezialisten an der Universiätsklinik in Münster.  Dort konnte ich mich zusammen mit meinem Mann am 20.12. in der Notfallsprechstunde vorstellen. Das UKM (Universitätsklinik Münster) ist unvorstellbar groß, eine Medizinfabrik, die mich erst einmal  beängstigte. Wir warteten ziemlich lange, bis der Sarkomspezialist einen Blick auf mein Bein warf. Mit klarem Blick erklärte er uns nun, was zu tun war und versprach uns, dass er meinen Tumor „beinerhaltend“ entfernen wird und ich gute Chancen habe, wieder ganz gesund zu werden. Was bleiben würde, ist eine kleine Delle, denn der Tumor müsste großzügig ausgeschnitten werden.

„beinerhaltend“

Dieses Wort „beinerhaltend“ werde ich nie wieder vergessen. Ich hatte mir nie Gedanken darüber gemacht, dass ich ein Bein verlieren könnte,  aber es ist wohl durchaus üblich, dass Extremitäten bei einem Sarkom amputiert werden müssen. Wir wohnten damals in einem alten Einfamilienhaus und Treppensteigen gehörte zum Tagesablauf dazu. Die Waschmaschine im Keller, der Wäschekorb im Obergeschoss. Die Treppen haben mich ein Leben lang fit gehalten und nun? Ein Leben im Rollstuhl -nicht denkbar.

Mein Mann war nach diesem Gespräch mit dem Professor erleichtert und war zuversichtlich, dass ich wieder gesund werde. Ich begriff langsam, was alles auf mich zukommen könnte. Nach der OP sollte es auf jeden Fall auch eine Strahlentherapie geben, damit auch wirklich alle Krebszellen absterben würden. Ich war bereit alles mitzumachen, so lange es keine Chemotherapie sein musste.

In diesem Zustand rief ich Dörte Hildebrand an. Ich kenne Dörte schon seit meiner Ausbildung zur Großgruppenmoderatorin im Jahre 2001 und wir haben lange Zeit zusammen den Verein Move-your-Vision geführt. Ich wusste also, dass Dörte die Richtige war, um meine Gedanken zu sortieren und wieder runterkommen zu können. Es ging mir zu dieser Zeit nicht nur darum, die Diagnose zu verdauen, sondern ich wollte für meine Mutter und meine Tochter, die beide an Weihnachten zu mir kommen wollten, die Situation so gestalten, dass sie nicht zusammenbrachen.

Meine Mutter hatte sehr lange mit meinem Vater gelitten und für sie würde mit dem Befund, die ganze Geschichte wieder aufgewühlt. Meine Tochter hatte gerade ihr Studium begonnen und sollte eigentlich über Weihnachten sich erholen können und für die Klausuren lernen können.

Mein erstes Gespräch mit Dörte war also sehr emotional und ich weinte mich über meinen Kummer erst einmal aus. Ich weiß nicht, wie Dörte es geschafft hat, aber sie schaffte es, nicht nur meine eigene Vorgeschichte, die mich krank gemacht hat, herauszufinden,  sondern hatte mit mir auch eine Strategie entwickelt, wie ich Weihnachten überstehen würde. Ich spürte in den Tagen um Weihnachten, dass sie in Gedanken immer bei mir war und das machte mich stark. Es wurde viel geweint und andererseits waren wir uns alle einig, dass wir diese Herausforderung des Lebens gemeinsam meistern werden.

Weihnachten war richtig anstrengend. Was ich nicht bedacht hatte war, dass meine Mutter, die die Krebserkrankung meines Vaters in traumatischer Erinnerung hat, so etwas wie einen Flash bekommen würde.  Sie erzählte die ganze Zeit eigentlich nur davon, wie schlimm das alles für sie damals war und ich hatte das Gefühl, dass ich sie trösten müsse.

Das Leben ist ein Kampf!

Ich war bereit um mein Leben zu kämpfen und fing an zu überlegen, was ich alles machen könnte, um den Krebs wieder los zu werden. So kam ich auch zum Thema Meditation. Ich fing an jeden Tag zu meditieren. Es war eine Morgenmeditation nach Dr. Joe Dispenza, die mir von meiner Freundin Bärbel empfohlen wurde. Nach einer kurzen Reise durch den Körper fängt man an, sich eine Zukunft auszumalen und sich vorzustellen, in dieser Zukunft zu leben. In meiner Zukunft war ich gesund und arbeitete als Freelancer, ging zu Veranstaltungen, bloggte darüber und arbeitete mit lieben Kollegen im Co Working Space in Lippstadt. Das fühlt sich für mich immer noch gut an und ich bin meinem Ziel schon näher gekommen.

Am 08.01. war der große Operationstermin. Das war aber erst der Anfang eines langen Prozesses um den Krebs zu besiegen.

Seither hatte ich:

  • 2 Chemotherapien
  • ein weiterer Krankenaufenthalt mit Bluttransfusionen
  • eine Strahlentherapie (2 Monate mit einer Gesamtdosis von 66,6 Gy)
  • nochmals 2 Chemotherapien,
  • eine 3 wöchige Aufbau- Reha,
  • danach der Umzug in eine Eigentumswohnung,
  • weitere 2 Kontrolltermine bei jeweils 3 Ärzten und
  • zum Jahresende die Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit bei der Post.

Aber ich habe diese Zeit auch genutzt um mich neu zu erfinden und viel zu lernen – über das Leben und die Art und Weise, wie ich künftig arbeiten will.

Was ich alles in 2018 erlebt habe, werde ich in weiteren Beiträgen beschreiben.
Hierfür gibt es eine eigene Blogrubrik zum Thema Sarkom.

Da ich schon lange über Veränderungsprozesse und über Krisen als Chance schreibe, kann meine Geschichte vielleicht anderen Menschen Mut machen. Ich möchte hier gerne die Mutmacherin sein.

Das Leben endet nicht durch eine schwere Krankheit, aber es ändert sich die Sichtweise auf das Leben.

Das kann auch schön sein, denn das Glück liegt häufig in den kleinen Dingen des Lebens.

Bildquelle: Johanna Brühl

4 Kommentare

  1. wenn man das so liest wird einem ganz mulmig. Wurde denn kein Doppler gemacht? Oder überhaupt eine Sonographie?

    1. Von einem Doppler weiß ich nichts, aber eine Sonographie wurde ganz am Anfang gemacht. Aber ich glaube, da wurde auch schon etwas falsch gemacht. Der Tumor wurde auf jeden Fall nicht als solcher erkannt. Aber auch beim MRT wurde der Tumor ja nicht erkannt, sondern erst beim MRT mit Kontrastmittel. Das war leider nach der ersten Operation.

  2. Das tut kor sehr leid. Och hoffe das es dir nach wie vor gut geht!!! Mit einem Farb- Doppler kann man im Sonobild die Blutgefäße , auch die ganz ganz kleinen sehen und so schon einen Verdacht äußern. Mir wurde gesagt ein hämatom hat keine Blutgefäße aber ein Tumor schon, egal ob gut oder bösartig.

    Mir tut das so leid! Aber ich wünsche dir wirklich für deine Zukunft das alles heile bleibt und du noch ein langes und sorgloses Leben genießen darfst 🙂

    1. Bin gerade in der 4 1/2 Jahreskontrolle. Die 1. Untersuchung habe ich schon erfolgreich hinter mich gebracht. Bin eigentlich ganz zuversichtlich, aber vor den Kontrollen hat man immer noch Angst. Das mit den Blutgefäßen, hätte ich mal vorher wissen müssen, dann hätte ich da nochmals nachfragen können. Danke für das Mitgefühl.

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