Die Verratene Generation – Was wir den Frauen in der Lebensmitte zumuten
Die Frauen der Geburtsjahrgänge 1955 bis 1968 – die Babyboomer – starteten als erste Frauengeneration Deutschlands mit einer guten Ausbildung und viel Elan in ein Leben, das ihnen gleiche Chancen und Rechte wie den Männern versprach. Heute, gut dreißig Jahre später, fällt die Bilanz längst nicht für alle positiv aus. Die Karrieren vieler dieser Frauen endeten abrupt, wenn sie Kinder bekamen. Anschließend war ihnen der erneute Zugang zum Arbeitsmarkt deutlich erschwert – und nach einer Scheidung trugen sie die finanzielle Verantwortung für sich und die halbwüchsigen Kinder. Heute sehen Hunderttausende dieser Frauen der Altersarmut entgegen.
(Klappentext des Buches von Christina Bylow und Kristina Vaillant)
Einer Studie zufolge wird mehr als jede dritte Frau dieser Generation von ihrer Rente nicht leben können, 40 Prozent der Frauen werden höchsten 600 Euro bekommen, obwohl 80 Prozent berufstätig sind. Wie kann das sein?
Das Problem besteht in den langen Zeiten, die diese Frauen nur Teilzeit bzw. geringfügig beschäftigte Tätigkeiten hatten, da sie sich um ihre Kinder kümmern mussten. Es gab noch kein Kinderbetreuungsssystem, wie wir es heute kennen.
Auch ich konnte meine Tochter erst mit 3 1/2 Jahren in den Kindergarten bringen und zwar von 08:00 bis 12:00 und von 14:00 bis 16:00 Uhr. In dieser Zeit konnte ich natürlich nicht an meinen Arbeitsplatz fahren (Fahrzeit 65 min.). Um überhaupt arbeiten zu können, habe ich eine zusätzliche Betreuung zahlen müssen. Später, als ich einen Ganztagsplatz hatte, reichte dieser oft immer noch nicht aus, damit ich die 10 Stunden Abwesenheit überbrücken konnte. So blieb mir in den ersten Jahren nichts anderes übrig, als mir auf selbständiger Basis Arbeit zu suchen, die ich besser mit meinen Bedürfnissen vereinbaren konnte. Diese Jahre fehlen mir natürlich heute in der Pensionsberechnung. Damit ich später nicht frustriert auf meinen Pensionsbescheid schaue, habe ich schon damals eine private Rentenversicherung abgeschlossen. Die Kosten dafür habe ich mir mit meinem Mann geteilt. Wenigstens das System „Ehe“ sollte mich nicht im Stich lassen, wenn schon der Arbeitgeber, das Kinderbetreuungssystem und auch der Staat keine guten Unterstützer waren.
Die Kindergartenbeiträge waren vom Elterneinkommen abhängig. Wenn ich also in einem Jahr viel gearbeitet und verdient habe, musste ich im folgenden Jahr höhere Beiträge zahlen. Ich hätte wohl vor jedem Auftrag erst einmal nachrechnen müssen, ob ich nicht damit eine Beitragsstufe höher komme. Aber ich wollte mich nicht durch solche falschen Anreize selbst blockieren.
Auch ein schlechter Anreiz für die weiblichen Erwerbstätigkeit ist es, wenn man das Einkommen der Ehefrau mit der Steuerklasse V besteuert und dann auf dem Einkommensnachweis prozentual wesentlich mehr Steuern zahlt als der Ehemann, der aber wesentlich mehr verdient. Dieses Phänomen nennt man Ehegattensplitting und hilft allen Familien, in denen ein Ehepartner weniger verdient als der andere. Derjenige der mehr verdient, braucht weniger Steuern zahlen. Seltsames System? Spätestens beim Jahreseinkommensteuerbescheid wird der Unterschied wieder ausgeglichen. Aber die Familie hat den Steuervorteil halt schon im Monat des Verdienstes und nicht erst im Folgejahr. Viele Frauen denken sich aber, für das wenige Geld lohnt es sich nicht zu arbeiten oder nehmen sogar eine Geringfügige Beschäftigung an, um dann die Sozialabgaben zu sparen. Zu diesem Zeitpunkt denken die Frauen noch nicht an ihre Rente. Das böse Erwachen kommt dann erst, wenn die Kinder außer Haus sind.
Wenn die Ehe gut funktioniert, dann wir das Gehalt beider zusammengeschmissen und jeder bekommt die Hälfte. Das ist im System „Ehe“ (wenn Kinder vorhanden sind) dann auch fair, denn die Frau arbeitet ja zu Hause auch, zwar unentgeltlich, aber Arbeit ist es trotzdem.
Richtig schwierig wird es erst, wenn das System „Ehe“ nicht mehr funktioniert. Dann wird man in Deutschland nämlich völlig im Stich gelassen. Alleinerzieher haben dann nicht mehr den Vorteil des Ehegattensplittings und zahlen immer noch mehr als ein Familienernährer, obwohl es doch immer noch eine Familie ist, oder etwa nicht. Laut Wikipedia ist ein Erziehungsberechtigter mit Kindern auch eine Familie. Aber es ist ja auch keine Familiensplitting, sondern ein Ehegattensplitting.
Nach einer Scheidung müssen Frauen für Ihren Lebensunterhalt selbst aufkommen, doch häufig werden Ihre Qualifikationen nicht mehr anerkannt und ihnen wird keine der Qualifikation angemessene Stelle bzw. nur als geringfügige Beschäftigung angeboten. Wer in diese Falle tappt, bleibt darin gefangen.
Hierzu: Mythos Fachkräftemangel
Was ist nun die Lösung des Dilemmas. Zu allererst einmal sollte man diese Systematik erkennen und dann müssen wir die falschen Anreize beseitigen. Hier ist also die Politik gefragt. Das Ehegattensplitting passt nicht mehr in unsere Zeit. Es benachteiligt Frauen, durch falsche Anreize. Frauen müssen in Zukunft selbst berufstätig sein und dies sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Ich bin nicht der Meinung, dass Eltern nun umbedingt 40 Stunden in der Woche arbeiten müssen, aber ihre Arbeit muss so gut bezahlt werden, dass davon später noch eine anständige Rente ausgerechnet werden kann. Dies ist mit den heutigen Teilzeitbeschäftigungsverhältnissen und den geringfügig Beschäftigungen nicht zu erreichen. Es gibt viel zu wenige hochqualifizierte Teilzeitstellen für Mütter oder Väter. Jedenfalls kann es nicht sein, dass Frauen ab dem Jahre 2030, wenn die Babyboomer dann ins Rentenalter kommen massenweise auf Sozialhilfe angewiesen sind und zum Bittsteller werden, wenn die Ehemänner aus welchen Gründen auch immer, ausfallen. Frauen brauchen eine eigene Rentenversicherung und diese Forderung wird angesichts der leeren Kassen (auch Staatskassen) wohl nicht einfach durchzusetzen sein.
Wo bleibt hier eigentlich der Aufschrei?
Wissen Sie eigentlich, welche Rente Sie später einmal voraussichtlich bekommen werden? Haben Sie sich schon einmal mit diesem Thema beschäftigt. Hier ein Link zu einem kostenlosen E-Book von Thomas Freud mit dem Thema Rentenversicherung, für einen ersten Überblick. Umso früher Sie sich als Frau auch mit diesem Thema beschäftigen, umso besser können Sie entscheiden, wie Sie Kinder und Beruf unter einen Hut bekommen wollen.
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