Ein Interview in der Elippse mit der Onlineredakteurin Sabine Hense-Ferch anlässlich des 10 jährigen Bestehens des Netzwerkes Großgruppenmoderation e.V., 17.07.2013
Moderatorin und Netzwerkerin aus Leidenschaft
Die Lippstädterin Johanna Brühl hat vor zehn Jahren Ihre Ausbildung als Großgruppenmoderatorin beendet und einen Verein „Netzwerk Großgruppenmoderation e.V.“ mit Sitz in Lippstadt gegründet. Auch das Frauennetzwerk Lippstadt geht auf ihre Initiative zurück. Sabine Hense-Ferch hat Johanna Brühl zum Interview getroffen.
Was verbirgt sich denn eigentlich hinter dem Begriff Großgruppenmoderation?
Schon vor zehn Jahren gab es bei meinem Arbeitgeber „Deutsche Post DHL“ erheblichen Veränderungs- und Rationalisierungsdruck, so dass das Unternehmen 24 Großgruppenmoderatoren ausgebildet hat, um mit den neuen Methoden Veränderungen unter der Beteiligung der Betroffenen durchführen zu können. Ich wurde dann von einigen namhaften Großgruppenmoderatoren ausgebildet.
Zur Vereinsgründung kam es dann nach der Ausbildung im Herbst 2003. Wir wollten in einer Art Lernnetzwerk sicherstellen, dass der Erfahrungsaustausch unter den Großgruppenmoderatoren weiter gut läuft. Da ich damals gerade mein Studium zur Personalentwicklerin zu Ende brachte und einen Schwerpunkt auf das Gebiet der Wissensvernetzung gelegt hatte, bot ich mich als Geschäftsführerin des Vereins an und so hatte der Verein seinen Sitz in Lippstadt. Im „Netzwerk Großgruppenmoderation e.V.“ habe ich meine ersten Netzwerkerfahrungen gesammelt und festgestellt, dass die Struktur des Vereins für ein Netzwerk eher kontraproduktiv ist.
Wie hat sich der Verein entwickelt?
In der Anfangsphase ging es uns vor allem darum, gemeinsam weiter lernen zu können und unsere Erfahrungen austauschen zu können. Das Netzwerk war für uns eine berufliche Heimat. Dann kam die Phase in der wir auch in die Öffentlichkeit treten und unser Angebot vermarkten wollten. In dieser Phase sind wir stark gewachsen und so hatten wir z.B. im Jahr 2008 schon fast 50 Moderatoren aus der ganzen Bundesrepublik und so namhafte Großgruppenmoderatoren wie z.B. Carole Maleh oder Jutta Weimar von unserem Netzwerk begeistert. Um unser Können unter Beweis zu stellen, haben wir uns an der Konzeption und Moderation der net´s work der Universität in Bielefeld beteiligt und dort ehrenamtlich moderiert. Von 2006 – 2009 waren wir Sponsor der größten Netzwerkmesse in Deutschland.
Ich fühlte mich damals dazu berufen die Großgruppenmoderationsmethoden den Netzwerkern schmackhaft zu machen, da ich erkannt hatte, wie groß die Chancen für eine erfolgreiche Vernetzung in den Methoden liegen. Andererseits war ich auch der Vernetzer unter den Großgruppenmoderatoren und habe meine Mitglieder in unserem Lernnetzwerk immer wieder mit diesem Thema konfrontiert. Ich habe immer wieder die Eigenverantwortung jedes Einzelnen für das Netzwerk angesprochen und Engagement gefordert. Nach sechs Jahren als Motor des Vereins habe ich dann die Geschäftsführung und die Vorstandsarbeit aufgegeben und der Verein wird nun von Berlin aus gesteuert.
Sie sind Großgruppenmoderatorin. Wann wendet man Moderationsmethoden für große Gruppen an und was kann man damit erreichen?
Zu den Großgruppenmoderationsmethoden, gehören z.B. World Café, Open Space und Story Telling – von einer großen Gruppe spricht man übrigens ab einer Teilnehmerzahl von 30 Personen. Das Schöne an diesen Methoden ist, dass man den Teilnehmern auf Augenhöhe begegnet. Hier ist es egal, ob ein Mensch nun Vorgesetzter oder Produktivkraft ist, denn jeder ist Experte auf seinem Gebiet und die Summe der Erkenntnisse ist notwendig, um eine Veränderung erfolgreich zu gestalten.
Deshalb gibt es z.B. beim Open Space auch den legendären Stuhlkreis. Hiermit wird schon von Beginn an signalisiert, wir sitzen alle in der ersten Reihe, d.h. jeder Einzelne zählt und ist wichtig und kann und soll sich hier einbringen. Überhaupt setzen die Methoden auf die Selbstorganisation und die Kollektive Intelligenz in Systemen. Deshalb funktioniert die Methode besonders gut, wenn ein System bereits gemeinsame Lernerfahrungen gemacht hat. Es gibt keine Agenda für die Konferenz, sondern die Workshopthemen werden mit allen Teilnehmern gefunden. Jeder hat die Möglichkeit sein Thema einzubringen und es den Teilnehmern zu verkaufen. Da, wo die Aufmerksamkeit hinfällt, entstehen inspirierende und lebendige Workshops mit guten Ideen und Ergebnissen.
Anwenden kann man solche Methoden immer, wenn man die entsprechende Unternehmenskultur hat, d.h. ein kooperativer Führungsstil vorhanden ist. Außerdem sollte das Problem komplex sein, d.h. nicht von einer oder wenigen Einzelpersonen gelöst werden können. Der Auftraggeber muss Vertrauen in seine Mitarbeiter haben und in den Prozess. Deshalb ist eine gute Vorbereitung mit einem Pilotteam für diese Methoden so wichtig. Die Rahmenbedingungen innerhalb derer man sich auf der Konferenz bewegen kann, müssen klar definiert werden. Nichts ist frustrierender als wenn man tolle Ideen in Workshops generiert, die danach in der Schublade des Auftraggebers landen.
Solche Methoden werden vor allem bei Veränderungsprozessen genutzt. Der Moderator begleitet den Prozess von Beginn an, d.h. Vorbereitung mit einem Pilotteam, Organisation, Durchführung, Maßnahmenplanung und später wird beim Reviewworkshop geschaut, was wirklich umgesetzt wurde.
Wo wenden Sie die Methoden in Ihrem Berufsalltag an?
Ich moderiere schon seit vier Jahren unsere Teamleiterforen mit Hilfe dieser Methoden. Jedes Mal kommen ca. 100 Teamleiter aus den Zustellstützpunkten zusammen und widmen sich zwei Tage lang einem komplexen Thema. Am ersten Tag bieten wir immer ein World Café an, damit sich die Teilnehmer besser kennen lernen können und erste gute Gespräche stattfinden und am zweiten Tag folgt dann der Open Space. Führung, Gesundheit und Qualität waren z.B. gute Themen.
Hier in Lippstadt moderiere ich das Frauennetzwerk Lippstadt, das ich 2007 gegründet habe. Das World Café haben wir schon mehrmals durchgeführt, z.B. um über Ziele im Netzwerk zu diskutieren und neue Projekte für das laufende Jahr zu generieren. Beim Frauennetzwerk Lippstadt schließt sich auch wieder der Kreis, denn hier habe ich alle meine Erfahrungen einfließen lassen können und z.B. bisher erfolgreich verhindert, dass wir ein Verein geworden sind. Das Frauennetzwerk Lippstadt ist ein Netzwerk, so wie ich es mir vorstelle. Es gibt viele Informationsknoten und engagierte Frauen.
Moderation heißt hier dann auch nicht mehr „Führung“ sondern „Ermöglichen“. Mit meiner Moderation biete ich den engagierten Frauen einen Rahmen, in dem sie kooperieren können. Das klappt jetzt schon sechs Jahre lang und wir planen schon wieder viele spannende Projekte.
Weitere Links zum Thema Open Space:
Das YouTube Video Open Space – die Kraft der Selbstorganisation gibt einen hervorragenden ersten Einblick in die Methode. Hier sieht man ein konkretes Beispiel für den Einsatz der Methode für die Region Altmühlfranken