Drop your Tools – or you will die!

Angesichts der überall präsenten Aufforderung zu ständigem und lebenslangem Lernen, muss gefragt werden, ob es heutzutage nicht auch zweckmässig wäre, das „Verlernen“ in Erwägung zu ziehen? Was bis heute handlungsleitend war, kann morgen schon obsolet sein. Widerstand gegen Veränderungen resultiert häufig genau aus dieser Überzeugung, an die sich Menschen aus Angst vor Desorientierung im Transformationsprozess klammern.

Auf meinem Wandelgang in Lippstadt gibt es eine Station die heißt „Loslassen“ und an dieser Station soll man überlegen, was in meinem Leben möchte ich nicht mehr tun, von was möchte ich mich trennen. Das kann die Wut auf einen Menschen sein, es kann aber auch eine Gewohnheit sein, die man jeden Tag hat und die man ablegen will. Es ist das „Verlernen„, das bei einem erwachsenen Menschen teilweise schwieriger ist, als das Lernen bei einem jungen Menschen.

Der Begriff „Drop your Tools“ kommt aus einer Erzählung, dass Feuerwehrleute in Colorado, die bei der Bekämpfung von Waldbränden ums Leben kamen, bei ausweglosen Situationen nicht einfach losgerannt sind, sondern ihr schweres Gerät mitgeschleppt haben, obwohl die eindeutige Anweisung war: „Drop your Tools“.

Diese Erzählung stehen heutzutage als Metapher für das Thema „Verlernen“.

Erfahrung und Studien belegen, dass das Wegwerfen der Instrumente („drop your tools“) eine zu bevorzugende Strategie im Umgang mit Veränderungen ist. Sie ist aber gleichzeitig nicht intuitiv – sie widerspricht unseren tiefen menschlichen Reaktionsschemata – und muss daher hart erlernt werden…

In einer Analyse der „Drop-your-tool“-Situation von Karl Weick von der University of Michigan wird aufgezeigt, warum die Feuerwehrleute diesen Befehl ignoriert haben könnten. Neben einfacheren Erklärungsmustern – wie den Befehl nicht gehört, Angst vor dem Wegwerfen kostbarer Werkzeuge gehabt oder den Befehlsgeber nicht als Autorität anerkannt zu haben – sind es insbesondere zwei Ansätze, die Bedeutung für die Personalentwicklung haben.

Zum einen ist das der Punkt der Identität: Mensch und Werkzeug sind für Feuerwehrleute eine Einheit, untrennbar miteinander verbunden. Damit sind die Werkzeuge Teil ihrer Identität und definieren ihre Kultur. Sie wegzuwerfen hätte eine existenzielle Krise bedeutet.

Zum anderen – und auf den ersten Blick mag das verrückt erscheinen – fehlte es den Feuerwehrleuten wohl auch an der Fähigkeit des Fallenlassens. Etliche Überlebende berichteten, dass sie erst einen Platz gesucht hätten, wo sie ihre Werkzeuge geordnet und womöglich geschützt ablegen konnten. Wie in jedem Training hatten auch die Feuerwehrleute gelernt sorgsam mit ihren teuren Werkzeugen umzugehen, deshalb suchten sie nach einer geeigneten Lagermöglichkeit und verloren wertvolle Sekunden.

Quelle: https://www.haufe.de/personal/hr-management/drop-your-tools-warum-verlernen-weiterbringen-kann_80_326582.html

Wir leben in einer Zeit starker Veränderungen und müssen ständig etwas loslassen und verlernen, damit wir neue Einsichten gewinnen können. Vor kurzem habe ich mich z.B. von Twitter/X verabschiedet. 16 Jahre hatte ich mir hier einen Followerschaft aufgebaut und für mich war es zu Beginn auch ein Ort des „Lernens“. Aber die Community hatte sich so verändert, dass mich die Beschäftigung mit diesem Tool belastete. Deshalb habe ich es losgelassen. Erst habe ich die App nur auf meinem Handy und iPad gelöscht und zuletzt habe ich meine 2 Accounts deaktiviert.

Dort wo man etwas loslässt, hat man dann auch wieder die Möglichkeit etwas Neues zu lernen.

Was man z.B. alles loslassen und verlernen kann:

  • sich mit Konsum zu belohnen
  • Entspannung auf Reisen zu suchen und in seiner Freizeit immer unterwegs zu sein
  • jemandem zu beweisen, dass man fleissig ist und etwas geleistet hat
  • Statussymbole anzuhäufen, damit andere denken, man hätte es geschafft oder um irgendwo dazu zu gehören

All diese Dinge tun wir, obwohl wir wissen, dass sie nicht sein müssen und es uns vielleicht auch nicht gut tut.

Die gelernte Einstellung, dass wir Wachstum brauchen, damit die Sozialsysteme nicht zusammen brechen, ist vielleicht auch so eine Sache, die wir loslassen und Verlernen müssen. Wir leben im dritten Jahr der Stagnation und die ganze Welt bedauert uns deshalb. Was wäre aber, wenn wir in dieser Zeit Gemeinwohlsysteme aufgebaut hätten, die uns ein Leben mit weniger Konsum lebenswert gemacht hätten.

Ich sehe viele solcher Bestrebungen und versuche auch selbst in diese Richtung zu agieren. Mein täglicher Spaziergang mit meiner 85- jährigen Mutter gehört dazu. Statt in dieser Zeit zu arbeiten oder zu konsumieren,  lerne ich viel darüber, wie man sich im Alter fühlt und was dann noch wichtig ist und glaubt mir, es ist nicht das Geld, das wir besitzen werden, sondern die sozialen Beziehungen, die dann das Leben noch lebenswert machen.

 

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