Lernhäppchen 2022

Gerade sitze ich wegen Corona in Quarantäne und kann mein Zimmer nicht verlassen. Die letzten Tage habe ich gedöst, gegessen, geschlafen und gelesen. Vorgestern war mein Highlight das Online Seminar „Welt im Wandel“ von den Pioneers of Change und heute war ich schon wieder für das Klimanetzwerk aktiv. Mir geht’s also schon wieder besser, aber ich bin positiv.

Zeit, um das Jahr 2022 zu reflektieren.

In diesem Jahr habe ich viele Reisen mit dem Fahrrad gemacht, um zu lernen, was alles mit dem Fahrrad geht. Ich bin aber auch mit dem Rad gefahren, weil es die klimafreundlichste Art des Reisens ist und weil ich dabei auch das Gefühl von Freiheit habe und die Natur hautnah spüre. Hier kann man mir auch auf Instagram folgen

Es fing an Anfang April mit einem Kurztrip nach Karlsruhe, bei dem wir unsere beiden Brompten Räder im Gepäck hatten.  Diese Stadt hatten wir vorher noch gar nicht auf dem Schirm, aber mich interessierte es, weshalb sie beim Fahrradfahren so gut abschneidet. Und was soll ich sagen, Karlsruhe ist wirklich mutig, wenn es darum geht den Autoverkehr aus der Innenstadt zu halten und die Bevölkerung auch mal zu Fuß gehen zu lassen.  Wir hatten unser Hotel in der Nähe der Waldstr., einer der kilometerlangen Fächerstraßen und konnten so autofrei bis zum Schloss und der Innenstadt fahren. Diese Straße ist gerade von den Touristen geliebt, da sie voller Leben und Vielfalt ist.

Lernfazit: Umso weniger Autos in der Innenstadt, desto mehr Menschen auf der Straße. Das ist gut für die Lebensqualität der Bewohner und auch für die Einzelhändler.

Im April machten wir auch noch eine 3 Tages-Tour von Lippstadt nach Warburg über Karlshafen an der Weser nach Höxter und wieder zurück nach Lippstadt. 283 km in 3 Tagen.

Lernfazit:
Nach diesem Trip wussten wir, es ist Einiges möglich und wir brauchen keine Angst vor längeren Touren zu haben.

Die Schlögener Schlinge

 

 

Im Mai haben wir unsere erste über 400 km lange Radtour gemacht und zwar an der Donau, von Passau nach Bratislava. Die schöne Radtour wurde schon wieder einmal von einer Naturkatastrophe überschattet. Nachdem wir im letzten Jahr (14./15.07.2021) auf unserer Ruhrtal Radweg vom Regen überrascht wurden und dann auf halber Strecke abbrechen mussten, da nicht nur der Radweg, sondern auch unser Hotel abgesoffen ist, waren wir in diesem Jahr vorgewarnt, als uns am 20.05. der Wetterdienst auf der Karte von Lippstadt eine lila Gefahrenwarnung zugesandt hat. Wir telefonierten also mit unseren Mitbewohnern und waren erst einmal beruhigt, um dann eine halbe Stunde später zu hören,  dass der bis zu 400 m breite und 13 km lange Tornado Emmelinde auch über unser Haus gefegt ist und eine Schneise der Verwüstung hinterlassen hat. Wir haben über Twitter dann die vielen Videos gesehen und abends kam sogar ein Blick von unserem Dach des Mehrfamilienhauses im Fernsehen. Wir waren nur noch geschockt.

Bildquelle: Tornadomap.org

Wir sind ja krisenerprobt, aber das war schon hardcore. Thomas meinte: „Ich will gar nicht mehr nach Hause“ und so fuhren wir an der schönen Donau weiter, häufig schweigend und immer in den Gedanken zu Hause. Unser Ausblick auf die Parkanlage im Kanupark und zur Friedrichstraße platt. Unsere Oase wird nie mehr so sein wie früher.

Das Herz war ständig schwer, auch wenn wir wunderbare Dinge auf unserer Radtour erlebten. Die körperliche Anstrengung wenn man gegen den Wind auf dem Donau-Damm mit 25 km fährt, hilft den Stress und das Adrenalin zu verarbeiten.

Zu Hause wieder angekommen, waren wir froh, dass die Hausgemeinschaft schon so viel wieder aufgeräumt hatte und die Trauerbewältigung beginnen konnte. Ein Tornado ist eine große Krise für eine Stadt. Der Artikel „Die Große Baustelle“ auf meiner Homepage zeigt diesen schweren Einschnitt. Auch nach einem halben Jahr ist Lippstadt noch eine Baustelle.

Lernfazit: Die Klimakrise macht nicht vor Deutschland halt. Naturkatastrophen werden immer häufiger und kosten Unmengen Geld. Es wäre günstiger und gesünder, sofort alles zu unternehmen, um das CO 2 zu begrenzen, auch wenn es Wachstum kostet. Aber auch die Krise kann man in einer Gemeinschaft besser überstehen. Ich bin froh und dankbar, dass wir eine gute Hausgemeinschaft haben. In diesem Jahr haben wir sogar ein Gemeinschaftsgartenprojekt. Es ist sinnvoll in die Gemeinschaft und die Beziehungen zu investieren, damit man in der Krise eine Rückenstärkung bekommt.

Außerdem müssen wir uns um unsere Städte kümmern, damit sie krisensicherer werden. Das Grün in den Städten ist nicht nur schön, sondern lebensnotwendig, damit die Stadt nicht überhitzt und damit Regenwasser versickern kann. Die großen Gefahren für die Städte sind Starkregen, Dürren, Erdbewegungen, Hitze und Tornados. Letzteres war mir bisher nicht so bewußt.

Die Hochmoselbrücke

Weil es so schlimm zu Hause aussah, machten wir uns im Juni schon wieder auf die nächste Radtour und zwar von Saarbrücken den Saarradweg bis nach Trier und dann die Mosel rauf bis nach Koblenz, dann den Rhein runter bis nach Mainz und den Main lang, bis nach Frankfurt. Fahrrad fahren als Medizin – gut gegen die Depression, die man zu Hause bekommen könnte.

Wir hatten wunderbares sonniges Wetter mit bis zu 35 Grad (fürs Rad fahren schon fast zu heiß) und keinen einzigen Regentag. Im Spätsommer sahen wir im Fernsehen dann den Rhein vor Bingen fast ausgetrocknet. Das zeigt wie heiß der Sommer 2022 war.

Anfang Juli machte ich mich nach Oldenburg auf, um mir auf unserem Movie-Treffen in Oldenburg unter dem Thema „Resilienten Gesellschaft“ etwas darüber zu lernen. Nach so viel „Krise“ ist es ja vielleicht nicht uninteressant, etwas für die Resilienz zu tun. Mich hat Oldenburg nicht nur wegen seiner Fahrradfreundlichkeit und seiner schönen Lernorte begeistert, sondern auch wegen seiner Natur, die geschätzt und geschützt wird. Für mich ist Oldenburg auf jeden Fall noch mal eine Reise wert.

Im Juli war dann mal wieder der Krisenmanager gefragt. Innerhalb von 2 Wochen mussten wir unsere 3 Eltern in ein Pflegeheim bringen, da alle auf einmal nicht mehr alleine leben konnten. Meine Schwiegereltern aus Lippstadt und meine Mutter im Schwarzwald. Jeder, der einmal einen alten Menschen ins Pflegeheim bringen musste, weiß, was das für eine Mammutaufgabe ist. Informieren, Recherchieren, Entscheiden, Pflegeversicherung beantragen, Pflegeplatz finden, Eltern klar machen, dass es nicht anders geht. Wir haben es geschafft, alle 3 in ein Pflegeheim genau gegenüber unserer Straße zu bekommen. Mehr Glück kann man eigentlich nicht haben.

Seit Juli helfen wir unseren Eltern, sich mit der Situation abzufinden und sich einzuleben. „Loslassen“ ist eine Aufgabe, die wir/sie lernen müssen.

Lernfazit:
Das Pflegesystem ist komplex. Man braucht schon ziemlich Glück um schnell einen Pflegeplatz zu bekommen. Das Glück ist aber den Fleißigen. Denn ich hatte zum Glück schon vor einem Jahr meine Mutter auf eine Warteliste gesetzt und Kontakt zum Pflegeheim gehalten, obwohl es meiner Mutter wieder besser ging.


Nach dem ganzen Stress wollten wir eigentlich im August wieder mit dem Fahrrad flüchten, aber die schönen Strecken waren schon überfüllt. Nach einigen Tagen vergeblicher Planung, kam uns die rettende Idee. Wir fahren einfach von Lippstadt los und Richtung Holland. Die Römerroute bis Wesel und dann Richtung Westen nach Arnhem und dann die Green Devide durch Holland (Zwolle, Apeldoorn, Assen) bis nach Groningen, zurück nach Deutschland nach Leer und von dort mit der Bahn nach Hause. Auf diese Weise konnten wir die Touristischen Hochburgen meiden und schön Urlaub machen. Wir sind ganz begeistert von der Heidelandschaft in Holland und davon, dass wir häufig ganz alleine unterwegs waren. Das war Urlaub, so wie wir uns das vorstellen. 

Lernfazit:
Holland ist das Fahrradland schlechthin- ein absolutes Vorbild. Man merkt sofort, dass man in Holland ist, auch wenn man über die grüne Grenze fährt. Eine Woche Radfahren in der Natur ist Balsam für die Seele. In Holland gibt es die größte Heide in Westeuropa und das ist Naturschutzgebiet.

Einen Tag nach unserer Rückkehr aus Holland startete in Lippstadt das Projekt Stadtradeln. Ich habe für das Klimanetzwerk Lippstadt auch ein Team eingestellt und wir hatten über 20 Teilnehmer im Team. Es entfachte sich gleich ein kleiner Wettbewerb unter den Teilnehmern, wer wohl die meisten km mit dem Fahrrad zurücklegt und damit man nicht ganz abgeschlagen wird, wurden auch gleich einige Radtouren mit eingeplant. Zuletzt auch gemeinsam am Wochenende und so kamen in diesen 3 Wochen auch wieder einige km zusammen. Lippstadt ist insgesamt 463.215 km gefahren und hat damit den ersten Platz bei den Newcomern hingelegt und den 3 Platz aller Städte in der Klasse 50.000 – 99.999 Einwohner. Das ist ein Mega Erfolg für die AG Mobilität des Klimabündnisses, in der ich seit 2020 mitarbeite.

Landsberg am Lech

Weil wir so gut im Training waren, plante mein Mann schon die nächste Tour. Diesmal mit Mut zu mehr Höhenmetern. Deshalb machten wir uns im September auf die Romantische Straße von Würzburg bis nach Füssen und durchquerten dabei Bayern und Städte, wie z.B. Rothenburg ob der Tauber, Landsberg am Lech, Augsburg und Donauwörth. Auch bei dieser Radtour hatten wir wieder Glück mit dem Wetter, auch wenn es Ende September schon recht kalt war.

Lernfazit:

Auch Städtereisen sind schön mit dem Fahrrad zu machen. Hier gibt es andere Dinge zu entdecken, wie z.B. die Fuggerei in Augsburg, die ein Meisterstück des nachhaltigen Lebens ist. 500 Jahre Fuggerei und kein Ende in Sicht.  Ganz im Gegenteil: Die Fuggerei der Zukunft will die globalen Herausforderungen meistern. Das E-Bike hat sich in Bayern bezahlt gemacht. Ohne die Unterstützung hätte ich die langen Strecken nicht geschafft.

Mittlerweile bin ich in diesem Jahr mit meinem E-Bike nun 3500 km gefahren. Dazu kommen dann noch die km von meinem Stadtrad und dem Brompton.

Lernfazit:

Bevor wir das Fahrradfahren als Freizeitsport und Hobby entdeckt haben, hätten wir uns nicht vorstellen können, ohne Auto leben zu können . Mittlerweile ist das Auto kein Fahrzeug mehr, sondern ein Stehzeug. Wir haben darauf verzichtet ein neues Auto zu kaufen, sondern versuchen eher das Auto überflüssig zu machen. Das spart auch enorm viel Geld und Ressourcen.

Wir brauchen keine Autos mehr als Statussymbol, sondern für die Mobilität. Die anderen 5 Autos im Hof, stehen ja auch meist nur rum. Momentan braucht nur einer von 11 Bewohnern sein Auto täglich. 2021 kamen 580 Pkw auf je 1000 Einwohner – ein Rekord. Die Zahl der zugelassenen Autos ist hierzulande stärker gewachsen als die Bevölkerungszahl.

Nun nochmals an den Anfang des Textes. Mittlerweile sitze ich ja nicht alleine in Quarantäne, sondern die Seuche geht gerade in meinem Nahbereich rum. So hatte es auch meine Mutter, die mittlerweile wieder negativ ist und meine Schwester, die überraschend zu Besuch war und Schwiegervater hat es jetzt auch.

Lernfazit:
Corona ist mega ansteckend und ein negativer Test sagt nichts aus, wenn man Symptome hat. Wenn der Test endlich anschlägt, also positiv ist, fühlt man sich schon richtig sch… und obwohl man sich später schon richtig fit fühlt, ist er immer noch positiv.

Falls sich nun jemand fragt, was ich außer Fahrradfahren noch mache.

Natürlich ist Fahrrad fahren nur Freizeitbeschäftigung. Ich kümmere mich weiterhin um meine Netzwerke und AG´s wie z.B. meine WandelBar und den Wandelgang und in diesem Jahr halt auch vor allem um meine Mutter und den Gemeinschaftsgarten und dann gab es da noch das Projekt Stadtosphäre – aber darüber erzähle ich dann ein anderes Mal.



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